Stefan May hat sich als Professor für Banken, Finanzmarktanalyse und Portfoliomanagement viele Jahre dafür stark gemacht, Erkenntnisse der Kapitalmarktforschung bei der Geldanlage zu berücksichtigen. Als Leiter der Anlagestrategie bei der Quirin Privatbank und bei quirion arbeitet er bis heute daran mit, die Theorie in der Praxis umzusetzen.
„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“: Dieses Zitat wird mehreren Autoren zugeschrieben, unter anderem dem Sozialpsychologen Kurt Lewin. Ganz gleich, wer es zuerst so formuliert hat, Stefan May gefällt der Ausspruch besonders mit einer leichten Präzisierung: „Es gibt nichts Praxisrelevanteres als eine gute Theorie.“ Seiner Ansicht nach trifft das jedenfalls auf die Portfoliotheorie zu. Und das erklärt ein Stück weit den Berufsweg von May. Sein Herz gehört der Wissenschaft und ihrer Verbindung mit der Praxis.
Erst Studium der Volkswirtschaft, dann Promotion und wissenschaftliche Assistenz an der Universität Regensburg: Eine akademische Karriere schien vorgezeichnet. Doch dann lockte ihn ein Angebot der Hypo Capital Management in die Bankenwelt, zunächst als Analyst. Schnell wurden die Aufgaben größer. Nach vier Jahren ging er für die Hypo Bank Gruppe nach Luxemburg, baute als Leiter Portfoliomanagement und Vermögensverwaltung eine neue Geschäftseinheit auf. Doch auch in seiner Zeit bei der Hypo blieb May der Wissenschaft verbunden. Nebenberuflich war er weiterhin regelmäßig in der Lehre tätig.
1996 wechselte May dann wieder ganz die Seite, folgte dem Ruf als Professor an die damals noch sehr junge Fachhochschule Ingolstadt. Er wirkte beim Aufbau der Hochschule mit, die später in Technische Hochschule umbenannt wurde und war zwei Jahre sogar ihr Vizepräsident. Über 25 Jahre lang war er für die Lehrgebiete Banken, Finanzwirtschaft, Finanzmarktanalyse und Portfoliomanagement verantwortlich. Inzwischen ist der 67-Jährige emeritiert.
Auf den Markt vertrauen
Die Kapitalmarktforschung ist für May ein Gebiet, in dem Theorie und Empirie geradezu beispielhaft ineinandergreifen. „In den zurückliegenden 70 Jahren hat sich ein gewisser Kanon an Erkenntnissen herausgebildet, von denen auch Privatanlegerinnen und -anleger profitieren können“, stellt May fest. Dazu zählt, dass man nicht versuchen sollte, den Markt zu schlagen – und sich besser möglichst breit aufstellt, um die Vorteile der Diversifikation zu nutzen. (verlinken auf den geplanten Beitrag zur Diversifikation)
Solche wissenschaftlichen Einsichten hat May immer vor Augen gehabt. Allerdings hatte er sich nach seinen Erfahrungen in der Bankenwelt erstmal damit abgefunden, dass theoretische Erkenntnisse – so gut sie empirisch gestützt sein mochten – in der Anlageberatung keine allzu großen Spuren hinterließen, gerade in Deutschland. „Ich habe mir oft anhören müssen, die Theorie sei ja gut und schön, aber in der Praxis gehe es ums Geldverdienen.“
Der Weg zur Quirin Privatbank
2013 hält May auf Einladung von Dimensional Fund Advisors eine Reihe von Vorträgen. Dimensional verfolgte schon früh ein Anlagekonzept, das sich auf die Wissenschaft stützt. Nach einem dieser Vorträge kommt May mit einem Mitarbeiter der Quirin Privatbank ins Gespräch. Man unterhält sich über deren Ansatz einer unabhängigen Beratung, abseits von Produktprovisionen. Und darüber, dass sich auch die Quirin Privatbank sowie die digitale Vermögensverwaltung unter der Marke quirion auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen wollen. „Das hat mich elektrisiert“, sagt May.
Etwas später besucht May die Quirin Privatbank in Berlin, lernt dort auch den Bankgründer Karl Matthäus Schmidt kennen. Schon kurze Zeit danach wird der Hochschullehrer zusätzlich Leiter des Asset Managements bei der Quirin Privatbank und bei quirion. In dieser Funktion prägt er die Anlagestrategie entscheidend mit. „Zu Beginn ging es vor allem darum, das wissenschaftlich gestützte Anlagekonzept praktisch in ETF-Portfolios umzusetzen – und dann, es sowohl den Beraterinnen und Beratern als auch den Anlegerinnen und Anlegern zu vermitteln.“ Keine leichte Aufgabe in einer Finanzwelt, die vom provisionsorientierten Produktvertrieb und Schlagzeilen über die jeweils heißesten neuen Börsentrends dominiert wird.
Aufklärung als Lebensaufgabe
Wer mit May spricht, merkt schnell, dass ihm die Aufklärung über sinnvolle Geldanlage ein echtes Anliegen ist. Warum ist ihm das immer noch so wichtig? „Weil die meisten Banken sich in der Beratung von Privatanlegerinnen und -anlegern bis heute Dinge herausnehmen, die sie sich bei institutionellen Investoren wie Versicherungen niemals wagen würden.“
Gemeint ist vor allem, dass Anlegerinnen und Anleger allzu oft wegen lukrativer Provisionen in überteuerte Produkte wie aktive Fonds hineinberaten werden. „Wenn die dann schlechte Ergebnisse liefern, wird oft die Geldanlage am Kapitalmarkt generell in Frage gestellt.“ Schuld seien aber nicht die Kapitalmärkte, sondern falsche Beratung. Das ärgert May vor allem deshalb, weil er schon wegen der wachsenden Notwendigkeit privater Altersvorsorge eine hohe gesellschaftliche Relevanz darin sieht, breitere Bevölkerungsschichten an den Renditechancen der Kapitalmärkte zu beteiligen. „Mit unserer Anlagestrategie und unseren effizienten ETF-Portfolios verfolgen wir genau dieses Ziel.“
Das große Ganze im Blick
May beschäftigt sich natürlich nicht ausschließlich mit Kapitalmarktforschung und Portfoliotheorie. Er lebt im bayerisch-fränkischen Steigerwald und liebt es, dort mit seinen beiden Hunden spazieren zu gehen. Er lauscht gern klassischer Musik, vor allem Spätromantikern wie Bruckner und Mahler. Er schätzt die Literatur, begeistert sich besonders für die Philosophie der Naturwissenschaften und Mathematik. Womit er dann doch wieder bei einer gewissen Verbindung von Theorie und ihren praktischen Auswirkungen ist: „Mich fasziniert besonders, wie sich mit den Fortschritten in den Naturwissenschaften die Weltbilder verändert haben.“
Lehrveranstaltungen hält er als Emeritus aktuell keine, will das aber für die Zukunft nicht ausschließen. Er konzentriert sich gerade auf seine Aufgaben bei der Quirin Privatbank und bei quirion. „Ich hatte zu Beginn meines Studiums keinen großen Karriereplan“, sagt May in der Rückschau. Er sei zunächst unentschlossen gewesen, ob er eher Betriebs- oder Volkswirtschaft studieren sollte. Letztlich gab den Ausschlag, dass die Volkswirtschaft stärker gesellschaftspolitische Themen berührt. „Themen, bei denen es um die größeren Zusammenhänge geht, ziehen mich immer wieder in ihren Bann“, unterstreicht May. Ob Naturwissenschaft, Ökonomie oder Portfoliotheorie: „Wenn sich die Menschen ernsthaft auf wissenschaftliche Erkenntnisse einlassen, kann sie das im Leben erheblich weiterbringen.“