Auch 2024 gab es in der Wirtschaft und an den Märkten wieder einiges, was sich nicht voraussehen ließ. Und was in den Ausblicken für das Jahr großteils anders erwartet worden war. Womit viele Marktexpertinnen und -experten so nicht gerechnet hatten.
1) Zinssenkung mit Zeitverzug
Im Vorgriff auf mögliche Zinssenkungen stiegen die Aktienkurse an der Wall Street schon Ende 2023 kräftig. Rund um den Jahreswechsel waren sich viele sicher, dass die Fed im März nach vier Jahren erstmals wieder den Leitzins senkt. Es dauerte dann aber bis September. Der Grund: „Die Inflation hielt sich weit hartnäckiger als erwartet“, erklärt Philipp Dobbert, Chefvolkswirt bei der Quirin Privatbank und bei quirion. Und ob die Inflation nun „im Griff“ ist, wird sich erst zeigen müssen. Im Oktober und November zog sie jedenfalls erneut leicht an.
2) „Unkaputtbare“ US-Konjunktur
Im bedeutendsten Aktienmarkt der Welt wurde auch in diesem Jahr jedes Konjunkturdatum auf die Goldwaage gelegt. Ständig schwebte die Frage im Raum, ob sich Anzeichen für eine bevorstehende Rezession erkennen lassen. „Wenn man mit Leitzinserhöhungen so stark auf die Bremse tritt, wie das die Fed getan hat, müssen eigentlich Bremsspuren in der Wirtschaft sichtbar werden“, stellt Volkswirt Dobbert fest. Es grenze an ein Wunder, wie robust sich die US-Konjunktur bislang entwickelt habe.
Ganz anders das Bild in Deutschland: Zwar ist die wirtschaftliche Stimmung schon länger nicht mehr rosig. Aber nach dem bereits schwachen Jahr 2023 hatte man sich etwas Belebung erhofft. Doch Ökonomen mussten ihre Prognosen reihenweise nach unten korrigieren. Hatten zum Beispiel führende deutsche Wirtschaftsforscher in ihrer Gemeinschaftsdiagnose im Herbst 2023 für 2024 noch ein Wachstum von 1,3 Prozent vorausgesehen, schrumpfte die Erwartung ein Jahr später auf ein Minus von 0,3 Prozent.
3) „Boom & Bust“ in Japan
Ende 2023 noch bei 33.464 Punkten, erreichte der Nikkei-225 im März nach 34 Jahren erstmals wieder ein Allzeithoch. Und kletterte im Juli zwischenzeitlich auf über 42.400 Punkte. Im August folgte ein scharfer Einbruch, im Zusammenhang mit der Auflösung spezieller Spekulationsgeschäfte. Aber die Korrektur war nur von kurzer Dauer.
„Das zeigt: Bei einzelnen Aktienmärkten kann es eine ganze Weile dauern, bis sie an alte Rekordstände anknüpfen – einer von vielen Gründen, die für ein breit aufgestelltes Weltportfolio sprechen“, unterstreicht Dobbert. „Mit einem Weltportfolio sowie einem langfristigen Anlagehorizont muss man sich außerdem auch dann keine Sorgen machen, wenn es hier und da mal zu schärferen Korrekturen kommt.“
4) Politische Mehrheitswechsel
Auch politisch gab es 2024 einige Überraschungen. Erst spät und nur vorübergehend wurde Kamala Harris zur Hoffnungskandidatin der Demokraten bei den US-Präsidentschaftswahlen. Schlussendlich wird Wahlsieger Donald Trump nun nicht nur der nächste US-Präsident. Die Republikaner sicherten sich außerdem die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus. Zumindest damit hatten wohl nur wenige gerechnet. Die Märkte begrüßten das Wahlergebnis erstmal mit Kursgewinnen.
Über das Aus der Ampel in Deutschland wurde im Vorfeld zwar schon länger spekuliert. Es kam dann allerdings doch ziemlich abrupt. Die Märkte zeigten zunächst keine nennenswerte Reaktion. Deutlicher fiel diese angesichts der Regierungskrise in Frankreich aus. Die Risikoaufschläge bei französischen Staatsanleihen stiegen kräftig. Im Sommer überraschende Parlamentsneuwahlen, dann Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung und im Dezember schon wieder der Rücktritt des Premiermisters Michel Barnier – Frankreich steht vor großen Herausforderungen. Die Staatsverschuldung ist hoch und die Neuverschuldung reißt die von der EU vorgegebene Obergrenze.
5) Noch ein herausragendes Aktienjahr
Nach einer überdurchschnittlich guten Wertentwicklung sah so mancher Ende 2023 skeptisch auf das bevorstehende Börsenjahr. Doch wer den Skeptikern folgte und dem Aktienmarkt fernblieb, hat viel verpasst. Immer wieder erreichten große Börsenindizes 2024 neue Rekorde, allen voran der S&P 500.
Zwei herausragende Jahre hintereinander: Ist das nun ein böses Omen für 2025? „Kurse haben kein Gedächtnis“, erklärt Dobbert. Natürlich könne die Performance nicht in jedem Jahr überdurchschnittlich sein. „Aber der Verlauf der beiden vergangenen Jahre sagt nichts darüber aus, wie die Entwicklung 2025 ausfallen wird.“ Sicher werde es auch einige Überraschungen geben. „Bei der Geldanlage sollte man damit rechnen und sich keinesfalls auf Prognosen verlassen“, betont Dobbert. „Mit einem breit aufgestellten Weltportfolio muss man sich auf Spekulationen gar nicht erst einlassen.“