Seit Jahresbeginn wechseln sich an den Kapitalmärkten weltweit Rücksetzer und Erholungen ab. Phasenweise geben Aktien und Anleihen genau wie andere Vermögenswerte gleichzeitig nach. Was ist da los?
In den vergangenen Jahren reichten manchmal ein paar Tweets, um die Kurse kaum bekannter Firmen in schwindelerregende Höhen zu bringen. Doch der Wind an den Börsen hat sich gedreht. Inzwischen können schon kleinere Enttäuschungen die Aktien gestandener Unternehmen auf eine Talfahrt schicken. Ein Beispiel unter vielen: Nvidia in den USA. Noch 2021 galt der Prozessor- und Chipentwickler als nächster Kandidat für eine Marktkapitalisierung von über einer Billion US-Dollar, erreichte in der Spitze ein Börsengewicht von über 800 Milliarden US-Dollar. Im Mai 2022 meldete Nvidia fürs erste Quartal zwar unerwartet hohe Gewinne, senkte für das zweite aber die Umsatzprognose. Die Aktie wurde abgestraft. Der Börsenwert lag Anfang Juni nur noch bei rund 450 Milliarden Dollar.
Große Unsicherheit statt grenzenloser Wachstumsfantasie: Skeptiker gewinnen in diesem Umfeld öfter einmal die Oberhand, auch in den Schlagzeilen. Anlässe für pessimistische Szenarien lassen sich schnell finden. Weiterhin stottern die Lieferketten und das sorgt für Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage. Der Krieg in der Ukraine hält die Energiepreise hoch, die Inflation zieht immer weitere Kreise. Erstmals seit vielen Jahren steigen die Leitzinsen – bereits jetzt in den USA und bald auch in der Eurozone.
Zinsen als Stellschraube zur Neubewertung
Veränderte Zinserwartungen betreffen an den Aktienmärkten insbesondere Wachstumstitel wie Technologiewerte. Das gilt nicht nur, weil Kredite teurer werden und Investitionen somit kostspieliger. Denn um den „fairen“ Kurs einer Aktie zu berechnen, werden in der Zukunft erwartete Gewinne auf ihren aktuellen Wert abgezinst. „Wenn die Zinsen steigen, sinkt so automatisch der Gegenwartswert der erwarteten Erträge“, erläutert unser Chefvolkswirt Philipp Dobbert. Das gelte für jedes Unternehmen, betreffe die Wachstumsunternehmen aber besonders. „Denn deren Gewinne wurden weit in die Zukunft projiziert, um die zuvor sehr hohen Bewertungen zu rechtfertigen.“
Die steigenden Leitzinsen sind zudem ein wesentlicher Grund dafür, dass die Kurse von Aktien und Anleihen an den Kapitalmärkten nun phasenweise gleichzeitig sinken. Das Prinzip: „Wenn die Leitzinsen steigen, kommen neue Papiere mit attraktiveren Zinsen auf den Markt“, erklärt Dobbert. „Der Anleihemarkt nimmt das vorweg, ältere Papiere werden verkauft.“ So kommt Druck auf die Kurse schon im Umlauf befindlicher Anleihen.
Erwartungen als Kurstreiber
Aktuell weiß noch niemand, wie weit die Zinsen steigen werden. Höhere Zinsen sind für sich genommen noch kein Anlass zur Besorgnis. Schließlich waren Minuszinsen und die lockere Zinspolitik der Notenbanken zuvor immer wieder heftig kritisiert worden. Der Blick auf die langfristige Entwicklung zeigt, dass Zinserhöhungen nicht per se „Gift für die Börse“ sein müssen.
In der aktuell eher pessimistischen Stimmungslage mehren sich aber die Befürchtungen, dass die Mischung aus weiterhin wackligen Lieferketten, teurer Energie und steigenden Zinsen die Weltkonjunktur ausbremsen könnte. „In jeder Marktphase gibt es gute Argumente für steigende wie für fallende Kurse – das macht die kurzfristigen Kursbewegungen aus“, stellt Dobbert fest. Die Börse wartet nicht, bis sich Entwicklungen tatsächlich einstellen, sondern bildet Kurse auf der Grundlage von Erwartungen. Ändern sich diese, kommt es zu Kurs- und Richtungswechseln.
Investieren statt spekulieren
Muss sich die Anlagestrategie veränderten Erwartungen immer wieder anpassen? „Auf keinen Fall“, unterstreicht Dobbert. Denn das würde bedeuten, dem Markt ständig hinterherzulaufen. „Niemand hat vor einem Jahr sagen können, welche Entwicklungen und Umwälzungen wir derzeit erleben – ob in der Weltpolitik, bei den Zinsen oder bei der Frage, welche Faktoren für den Kurs von Technologiewerten nun den Ausschlag geben. Und niemand weiß, wie die Entwicklung dann in einem Monat oder im kommenden Jahr sein wird.“ Beim systematischen Vermögensaufbau setze man dauerhaft auf die langfristige Wertschöpfung der Weltwirtschaft und deshalb möglichst breit gestreut auf die Aktienmärkte.
Dabei erfüllen Anleihen in den Portfolios von quirion die Funktion, die Schwankungen so zu reduzieren, dass Anleger mit jedem Risikoprofil an der Rendite der Aktienmärkte partizipieren können. Aber was, wenn Aktien- und Anleihekurse synchron ins Trudeln geraten? „Zwar war 2022 bislang das schlechteste Anleihejahr seit vielen Jahren. Doch dämpfen die Anleihebausteine weiterhin die Kursausschläge der Aktienanteile“, betont Dobbert. „Vergleicht man die Rendite-Risiko-Profile unserer globalen Portfolios mit denen von einzelnen Indizes, lässt sich schnell erkennen, was eine breite Aufstellung und eine stabile Anlagestrategie leisten können.“