Die Behavioral Finance geht Psychofallen bei der Geldanlage auf die Spur. Prof. Dr. Olaf Stotz von der Frankfurt School of Finance & Management erklärt, welche kognitiven Verzerrungen besonders teuer zu stehen kommen – und wie man sie vermeidet.
Herr Prof. Dr. Stotz, womit genau beschäftigt sich die Behavioral Finance – und warum?
In der klassischen Finanzmarkttheorie geht es um die Frage, wie Menschen am Kapitalmarkt vernünftig agieren sollten. Menschen agieren aber nicht immer rational. Das kennt jeder aus dem Alltag: Man isst oder trinkt zu viel, selbst wenn man weiß, dass das ungesund ist. Die Behavioral Finance geht „ungesunden Verhaltensweisen“ an den Märkten auf die Spur. Bei den durch die Forschung entdeckten Verhaltensmustern wird dabei von kognitiven Verzerrungen beziehungsweise von „Bias“ gesprochen. Das sind bestimmte Verhaltenstendenzen, die teilweise tief im Gehirn verankert sind.
Was ist denn aus Ihrer Sicht bei der Geldanlage die bedeutsamste „Verzerrung“?
Bei der Geldanlage verführt der „Overconfidence Bias“ besonders häufig zu Fehlern. Overconfidence bedeutet, übertriebenes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben. Ein klassisches Beispiel: In Studien wurden Autofahrer befragt, ob sie sich zu den besten 30 Prozent rechnen. Rund 80 Prozent der Befragten zählten sich dazu. Solche überzogenen Selbsteinschätzungen gibt es auch bei der Geldanlage – bei Privatanlegern wie bei Börsenexperten und Investmentprofis. Zu diesem Muster gehört auch, dass sich Menschen Erfolge tendenziell selbst zuschreiben, Misserfolge dagegen anderen oder den Umständen. Das führt letztlich zu einer Art Kontrollillusion. Wenn man es aus evolutionärer Sicht sieht, ist dieses Wahrnehmungsmuster grundsätzlich gut. Man gibt nicht zu schnell auf. Am Kapitalmarkt aber kann es fatale Folgen haben. Es führt etwa zu übertriebener Handelsaktivität, damit auch zu hohen Kosten. Es führt dazu, dass Anleger überdurchschnittliche Risiken eingehen, aber unterdurchschnittliche Renditen erzielen.
Was sind weitere relevante Verhaltensmuster?
Dazu zählen unter anderem bestimmte Heuristiken. Das sind einfache Entscheidungsregeln, die komplizierte Zusammenhänge leichter beherrschbar zu machen scheinen. Etwa: Ich kenne die Produkte eines Unternehmens. Die finde ich gut. Also ist auch die Aktie gut. Dazu zählen aber auch „mentale Konten“. Das ist das Phänomen, dass man in der Regel über Einzelinvestments nachdenkt und nicht über ein ganzes Portfolio. Das gilt insbesondere auch für die Altersvorsorge. Dazu verführt schon das Säulenkonzept mit unterschiedlichen mentalen Konten für „gesetzliche Rente“, „betriebliche Rente“ oder „gefördert“ und „ungefördert“. Viel entscheidender ist die Gesamtschau. Und die langfristige Perspektive. Doch auch die liegt der menschlichen Denkweise nicht am nächsten.
Warum das?
Komplexe Gedankengänge werden von der rationalen Gehirnhälfte übernommen, doch die kommt bei vielen Menschen nur schwer in Gang. Leichter arbeitet dagegen die emotionale, intuitive Gehirnhälfte. Mit ihr bewältigen wir auch primär unser tägliches Leben. Verzerrungen und Heuristiken sind vor allem hier abgespeichert. Ein Beispiel: Aktien sind ein Risiko-Investment. Aber weil die Kurse insbesondere kurzfristig stark schwanken, werden Risiken der Anlageklasse überproportional und damit verzerrt wahrgenommen. Medien verstärken den Trend, schließlich wird über kurzfristige, scharfe Bewegungen besonders häufig berichtet. Es wird die Heuristik „Aktie gleich Risiko“ aufgestellt, und der Anleger speichert sie in seiner intuitiven Gehirnhälfte ab. Sie finden jedenfalls wesentlich seltener eine Darstellung zu den Risiken eines Aktiensparplans mit Blick auf die kommenden 30 Jahre. Diese fallen natürlich wesentlich geringer aus, weil sich Über- und Untertreibungen an der Börse auf lange Sicht aufheben. Aktien bieten zudem Schutz vor Inflation, denn die Unternehmen profitieren von Preissteigerungen. Das kann man von einer Bundesanleihe nicht behaupten. Aber solche Gedankengänge finden in der Regel in der rationalen Gehirnhälfte statt.
Was hilft denn dabei, kognitiven Verzerrungen aus dem Weg zu gehen?
Instrumente, die kognitiven Verzerrungen vorzubeugen helfen, sind insbesondere ETFs und Sparpläne. Wenn ich einen auf ETFs basierenden Sparplan einrichte, streue ich meine Anlage automatisch und beuge so zum Beispiel einfachen Heuristiken vor, weil ich keine Einzeltitel auswähle. Ich stelle das Portfolio auf eine breite Basis und vermeide übermäßiges Handeln. Außerdem nehme ich automatisch eine langfristige Perspektive ein. Diversifikation und ein langer Anlagehorizont sind für den Anlageerfolg die wichtigsten Stellschrauben.
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