Vor 10 Jahren hat Karl Matthäus Schmidt quirion gegründet. Und damit den ersten Robo-Advisor in Deutschland. Doch das ist nicht die einzige seiner Innovationen, die in der Finanzbranche für Furore gesorgt haben.
Das „Unternehmer-Gen“ hat er geerbt. Der erste Bankgründer in seiner Familie war sein Ur-ur-ur-Großvater. Bankier ist Karl Matthäus Schmidt nun schon in sechster Generation. Aber Traditionen im Bankgeschäft zu bewahren, das ist so gar nicht seine Sache. Schmidt richtet den Blick lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit. Und er geht gern neue Wege, selbst wenn er damit aneckt.
„Schon als Kind habe ich das Bankgeschäft von der Pike auf kennengelernt. Beim Abendessen wurde oft über nichts anderes gesprochen“, erzählt Schmidt. „Allerdings ging es in der Bank meiner Familie vor allem um das Kreditgeschäft für Mittelständler, nicht um Geldanlage.“ Wenn man ihn danach fragt, wie er seine Leidenschaft für die Geldanlage entdeckte, verweist er deshalb nicht auf seine Familiengeschichte. Er erzählt von seiner Wehrdienstzeit. Davon, dass er täglich im Fernsehen die „Telebörse“ auf Sat.1 verfolgte. Und davon, dass ihn das Auf und Ab der Kurse damals „angefixt“ hat.
Disruption statt Tradition
Was Schmidt wie viele andere aber störte: „In den 1990ern waren die Gebühren für den Handel mit Aktien unverschämt hoch.“ Zudem wurden Aufträge von Privatkunden oft nur einmal am Tag ausgeführt. „Ein günstiger und flexibler Handel war nur etwas für institutionelle Investoren.“ Unterstützt von seinem Vater nahm er das Heft in die Hand. Noch während seines BWL-Studiums gründete er 1994 mit Consors einen der ersten Onlinebroker in Deutschland. Als Privatanlegerin oder -anleger handeln wie die Profis, das war der Grundgedanke. Die Idee war höchst erfolgreich und setzte sich durch.
Wertpapiere günstig jederzeit handeln zu können, das ist heute ganz selbstverständlich. Doch nicht alle wollen sich um ihre Geldanlage selbst kümmern. Schon in seiner Zeit bei Consors wurde Schmidt immer wieder einmal gefragt, welche Bank er für die Beratung in Vermögensfragen empfehlen könne. „Da fiel mir eigentlich keine ein. Denn wir selbst haben uns in dieser Zeit darauf konzentriert, die eigenständige Geldanlage zu ermöglichen.“ Das habe ihn zum Nachdenken gebracht. Zusätzlich brachten ihn interne Auswertungen ins Grübeln. Denen zufolge verloren die aktivsten Anlegerinnen und Anleger im Schnitt zehn Monate im Jahr Geld und erzielten nur in zwei Monaten Gewinne.
Schmidt überlegte: Wie könnte eine Bank aussehen, die er weiterempfehlen würde? Und wie könnte die dabei helfen, die Aussichten auf den Anlageerfolg zu erhöhen? „Nachdem das Kapitel Consors für mich geschlossen war, habe ich mir den Markt angeschaut.“ Ihm stach ins Auge, dass es in der Beratung in der Regel um einen reinen Produktvertrieb ging. „Durch die Abhängigkeit von Produktprovisionen tritt das Kundeninteresse bis heute meistens in den Hintergrund.“ Die Folge: „Anlegerinnen und Anleger zahlen viel zu viel Geld für Produkte, die nicht einmal zu ihnen und ihren Zielen passen.“
Eine neue Kategorie von Bank
Es blieb nicht bei dieser Feststellung. 2006 gründete Schmidt die Quirin Privatbank, die er bis heute als CEO führt. Damit entstand eine völlig neue Art von Bank in Deutschland. Sie verzichtet auf Provisionen, berät Kundinnen und Kunden stattdessen unabhängig auf Honorarbasis. „In der Anlagestrategie haben wir zunächst einen Multi-Asset-Ansatz verfolgt und dabei auf verschiedene Produktkategorien zurückgegriffen“, blickt Schmidt zurück. „Provisionen von Emittenten haben wir an die Kundinnen und Kunden weitergereicht.“
Mit dem Aufstieg von ETFs und deren wachsender Vielfalt konnten Schmidt und sein Team noch einen entscheidenden Schritt weitergehen. „Wir haben die Chance erkannt, die diese Produkte für unser Beratungskonzept bieten.“ 2010 richtete die Quirin Privatbank die Anlagestrategie mit dem globalen Marktportfolio im Wesentlichen auf die Geldanlage in ETFs aus. Die Vorteile für Anlegerinnen und Anleger lagen – und liegen bis heute – auf der Hand. Aktive Fonds sind viel teurer als ETFs. Und in der langfristigen Performance sind die „Passiven“ den „Aktiven“ meistens überlegen.
Vorstoß in die digitale Vermögensverwaltung
Dass das neue Anlagekonzept von Quirin ankam, bestätigten wachsende Kundenzahlen sowie regelmäßige Befragungen. Aber Letztere zeigten außerdem, dass insbesondere jüngere Menschen sich statt klassischer Vermögensverwaltung eine günstige digitale Lösung wünschten. „Mir fehlte noch ein Angebot, das auch diejenigen anspricht, die sich ein Vermögen erst aufbauen wollen“, sagt Schmidt. Mit der Gründung von quirion - zunächst als Marke der Quirin Privatbank - brachte er die Idee des Robo-Advice, eine digitale Vermögensverwaltung in ETF-Portfolios, im November 2013 nach Deutschland.
Schmidt ist stolz darauf, dass diese Idee sich hierzulande ebenfalls durchgesetzt hat. Gemeinsam kommen Quirin Privatbank und quirion inzwischen auf rund 88.000 Kundinnen und Kunden sowie ein verwaltetes Vermögen von 7,8 Milliarden Euro. So sehr er sich aber über den Erfolg freut: Schmidt bedauert, dass nicht noch mehr Menschen die Kapitalmärkte für die Geldanlage nutzen. Eine professionelle Vermögensverwaltung für jede Risikoneigung, mit Sparplänen schon ab 25 Euro: Die Hürden für den Einstieg sind bei quirion sehr niedrig.
Kraft der Kapitalmärkte nutzen
Früher hat Schmidt leidenschaftlich gern einzelne Aktien gehandelt. Heute ist er überzeugt: Ein breit diversifiziertes, globales ETF-Portfolio erhöht die Aussichten auf den Anlageerfolg ganz erheblich. „Das ist auch für mich selbst ein Lernprozess gewesen. Ich habe heute außer meinen unternehmerischen Beteiligungen keinen Einzelwert mehr im Depot.“
Was die Kraft der Kapitalmärkte für den Vermögensaufbau leisten kann, das fasziniert den erfahrenen Anlageprofi immer noch. „Wenn meine Eltern zu meiner Geburt für mich 30.000 Euro in einem gut gestreuten Portfolio angelegt hätten, wäre daraus bis heute über eine Million Euro geworden.“ In der systematischen Geldanlage liege für jeden eine große Chance.
Schmidt ist Vater von fünf Kindern. Für die hat er früh Geld angelegt. Ob er ihnen aber auch empfehlen würde, in seine Fußstapfen zu treten? „Wenn sie Unternehmer werden wollen und damit ihre Träume verwirklichen, würde ich mich freuen – ganz unabhängig davon, in welcher Branche das wäre.“ Unternehmer sein: Das bedeute für ihn, eine Idee voranzutreiben, für die man sich begeistert. „Das kann sehr anstrengend, aber auch sehr befriedigend sein.“ Er verfolgt weiter das Ziel, Deutschland zu einem besseren Ort für die Geldanlage zu machen. „Das treibt mich an, und ich bin sicher: Wir werden auf unserem Weg zur ,Rendite für alle‘ noch viel mehr erreichen.“