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Sind die Märkte wirklich effizient, Herr May?

Sind die Märkte wirklich effizient, Herr May?

Niemand kann zuverlässig den Markt schlagen: Das folgt aus der Markteffizienzhypothese, die eng mit dem US-Ökonomen und Nobelpreisträger Eugene Fama verbunden ist. Was sich hinter der These verbirgt und welche Konsequenzen das für die Geldanlage hat, erläutert Prof. Dr. Stefan May, Leiter der Anlagestrategie und Produktentwicklung bei quirion.

Wer das Auf und Ab der Kurse verfolgt, dazu die häufig wechselnden Interpretationen von Trends, bringt mit der Börsenentwicklung nicht immer „Effizienz“ in Verbindung. Was bedeutet die Hypothese der Markteffizienz?

Das Wort „Effizienz“ verleitet einen schnell, an Kalkulierbarkeit zu denken. Fangen wir deshalb damit an, was die Effizienzhypothese nicht bedeutet: „Effizienz“ meint gerade nicht, dass Experten mit speziellem Know-how die künftige Kursentwicklung im Voraus berechnen oder sonst irgendwie erkennen können. Stattdessen geht man davon aus, dass alle verfügbaren und preisrelevanten Informationen bereits in den aktuellen Kursen berücksichtigt sind. Was genau in der Zukunft passieren wird, bleibt unbekannt. Das ist eine der Kernbotschaften der Arbeit des US-Ökonomen Eugene Fama aus den 1960er und 1970er Jahren. Auch wenn manches häufig missverstanden wird, hat seine Arbeit bis heute wesentlichen Einfluss auf die Kapitalmarktforschung.

Wie kam Fama auf seine Effizienzhypothese?

Er war nicht der Erste und ist nicht der Einzige, der Märkte als effizient bezeichnet hat. Bereits der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek hatte Mitte der 1940er Jahre das Preisgefüge einer Marktwirtschaft als eine Art Informationssystem beschrieben. Preise signalisieren Knappheiten oder Überangebote. Marktteilnehmer beobachten die Preise, bilden Erwartungen und handeln entsprechend – ein besonders effizienter Mechanismus, um die verschiedenen Interessen auszugleichen. Die Markteffizienzhypothese von Fama hat diesen Gedanken vertieft und speziell auf die Kapitalmärkte bezogen.

Nach Fama gibt es drei verschiedene Versionen der Effizienzhypothese. Mit der These von der „schwachen Effizienz“ hat sich Fama bereits sehr früh gegen die sogenannte Chartanalyse gewandt, also die Prognose von Kursentwicklungen auf Basis bestimmter Kursverlaufsmuster oder -analysen. Weil solche Muster für alle sichtbar sind und ausgenutzt werden können, enthalten sie nach der schwachen Variante der Effizienzhypothese keine darüber hinaus verwertbaren Informationen – verwertbar im Sinne einer erfolgreichen Prognose.

Was ist mit der Analyse fundamentaler Daten wie der Ertragslage von Unternehmen?

Damit ist die Version „mittlerer Stärke“ angesprochen. Sie besagt, dass nicht nur Chartinformationen, sondern alle öffentlich verfügbaren Informationen schon in den Preisen stecken – soweit sie überhaupt preisrelevant sind. Geht man davon aus, beinhalten auch Analysen von Konjunktur und Unternehmen kein zusätzliches Wissen über zukünftige Kursentwicklungen.

In der stärksten Variante der Hypothese schließlich wird angenommen, dass über charttechnische und öffentlich verfügbare Informationen hinaus in den Kursen auch Insiderwissen enthalten ist. Das kann aber natürlich nur gelten, wenn Insider trotz Verbot tatsächlich auf Basis der nur ihnen zugänglichen Informationen handeln.

Inwieweit spiegeln die verschiedenen Varianten der Effizienzhypothese denn den aktuellen Stand der Wissenschaft?

Die mittelstarke Version ist in der Wissenschaft wenig umstritten, mit kleineren Einschränkungen. Fama selbst hat darauf hingewiesen, dass es so etwas wie „Momentum“ gibt. Das bedeutet, dass Aktien mit starker Kursentwicklung in der jüngeren Vergangenheit zu einer größeren positiven Dynamik neigen. Das widerspricht eigentlich der Effizienzhypothese, nach der die Kursentwicklung selbst ja keine verwertbaren Informationen enthält. Allerdings legen empirische Studien nahe, dass sich sogenannte Momentum-Strategien, die den Effekt direkt ausnutzen wollen, kaum lohnen. Dazu ist der Effekt zu schwach und die Kosten der Strategie sind zu hoch. Insofern stimmt die Effizienzhypothese doch wieder. Von ihr wird ja lediglich die Existenz prognostisch verwertbarer Informationen in den Kursverläufen bestritten.

Leider kann die Korrektheit der Effizienzhypothese in keiner ihrer Varianten direkt empirisch getestet werden. Das bedeutet, man kann sie nicht wirklich verifizieren, sondern „nur“ falsifizieren – also über eine Prüfung ihrer Implikationen gegebenenfalls widerlegen.

Und was würde die Hypothesen widerlegen?

Wenn man eine von zwei Fragen positiv beantworten könnte. Die eine: Findet sich eine Strategie, mit der man systematisch und zuverlässig die durchschnittliche Marktperformance übertrifft? Jahrzehnte empirischer Forschung zu aktivem Portfoliomanagement zeigen konsistent, dass dies letztlich nicht funktioniert. Zwar gab es immer wieder Strategien, denen das – auch über längere Zeiträume hinweg – gelungen ist. In all diesen Fällen wurde aber gezeigt, dass die Erfolge mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zufällig waren. Eine Analogie zu Glücksspielen wie dem Lotto ist hier durchaus angebracht: Nur weil es immer wieder Menschen gibt, die die richtigen sechs Zahlen ziehen, kommt ja auch niemand auf den Gedanken, dass dahinter eine verwertbare Gewinnstrategie steckt. Diese Überzeugung hält sich nur im Wertpapiergeschäft. Weil es zum Beispiel bei einzelnen aktiven Fonds phasenweise erfolgreiche Strategien gab, wird gerne der Schluss gezogen, dass aktives Management an sich erfolgreich sein muss. Dass solche Erfolge allein aufgrund der schieren Anzahl aktiver Fonds zwangsläufig sind, wird dabei übersehen.

Die zweite Frage wäre: Finden sich statistisch signifikante Verbindungen zwischen den Kursveränderungen von gestern, heute und morgen? Auch das ist nicht der Fall, jedenfalls nicht in Zeiträumen, die für Anlegende relevant sind. Die Wissenschaft spricht von einer „Random-Walk-Eigenschaft“ der Kursverläufe. Veränderungen von Kursen in der Vergangenheit bedeuten nichts für künftige Verläufe. Kurse haben gewissermaßen kein Gedächtnis. Deshalb kann Ihnen auch niemand – ich betone niemand – für irgendeinen Markt eine verlässliche „Punktprognose“ geben. Wenn ich Ihnen den Indexstand des DAX zum Jahresende heute korrekt nenne, ist das nur geraten. Es wird kein Wissen daraus, weil es zufällig eintrifft.

Was bedeutet das alles für die Anlagestrategie?

Dass man sich an der langfristigen Marktrendite orientieren sollte. Versuche, diese zu übertreffen, gehen regelmäßig schief. Die Indexorientierung und die Beliebtheit von ETFs sind eng mit der Effizienzhypothese verknüpft. Der Markt für ETFs ist inzwischen allerdings sehr vielfältig. Manche wollen die Popularität von ETFs ausnutzen und verfolgen damit doch wieder aktive Strategien. Wenn für Produkte zum Beispiel mit dem Schlagwort „research enhanced“ geworben wird, ist das nur ein weiterer Versuch, Anlegende mit einem vermeintlichen Spezialwissen zu locken. In unseren Portfolios haben solche Strategien keinen Platz. Wir wollen ganz eng am Markt sein, den „Weltaktienmarkt“ möglichst genau spiegeln. Wir stützen uns nicht auf Vermutungen, welche Aktien morgen zu den Gewinnern gehören und vertrauen der allgemeinen Marktentwicklung.

Kann man sich auf die Marktentwicklung denn verlassen?

Die Marktwirtschaft basiert darauf, dass zu erwartendes Risiko und zu erwartende Rendite zusammengehören: Je höher das Risiko, desto höher die Entlohnung dafür, sprich die Renditeerwartung. Auf diesen Zusammenhang kann man sich letztlich verlassen. Aber leider gibt es „gute“ und „schlechte“ Risiken. Sogenannte unsystematische Risiken, etwa ungünstige Entwicklungen in einzelnen Unternehmen, Branchen oder Regionen, werden vom Kapitalmarkt nicht „entlohnt“. Der Grund: Durch eine möglichst breite internationale Streuung könnten sie ausgeschlossen werden. Darum wird die Übernahme solcher Risiken nicht „vergütet“. Es sind unnötige und deshalb „schlechte“ Risiken.

In Form einer höheren Renditeerwartung angemessen entlohnt werden dagegen die sogenannten systematischen Risiken, die deshalb auch die „guten“ Risiken sind. Der Grund: Auch eine noch so gute Risikostreuung ist nicht in der Lage, diese systematischen Risiken zu beseitigen. Für ihre Übernahme ist eine Entlohnung daher letztlich zwingend. Ein so breit wie möglich gestreutes, internationales Weltportfolio beinhaltet nur noch systematische Risiken. Deshalb ist es im Verhältnis von Rendite und Risiko anderen Portfolios überlegen. Das ist ein weiteres zentrales Ergebnis der theoretischen und empirischen Finanzmarktforschung.

Warum der Anlageerfolg kein Zufall sein muss, erfahren Sie hier.

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