Schon häufig wurde darüber gestritten, wie sinnvoll nachhaltige Geldanlage ist. Besonders scharfer Wind gegen alles, was mit ESG-Kriterien zu tun hat, kommt derzeit aus den USA. Worum es geht und welche Auswirkungen das auf nachhaltige Anlagestrategien hat.
„Who Cares Wins“: Das ist der Titel einer 2004 erschienenen Studie, die das Kürzel „ESG“ populär gemacht hat. Sie war das Ergebnis der Zusammenarbeit von 20 großen Finanzinstituten, angestoßen von den Vereinten Nationen. Dabei ging es darum, wie Aspekte der Umwelt („Environmental“), des Sozialen („Social“) und der Unternehmensführung („Governance“) stärker bei der Vermögensverwaltung und im Finanzresearch berücksichtigt werden können.
Für eine Geldanlage, die sich an ESG-Kriterien orientiert, stehen Anlegerinnen und Anlegern inzwischen Tausende von Produkten zur Verfügung. Ende 2024 erreichte das weltweit in entsprechende Fonds und ETFs angelegte Vermögen ein neues Allzeithoch. Das zeigen Zahlen von Morningstar. Von den insgesamt investierten 3,2 Billionen US-Dollar entfielen 84 Prozent auf Europa.
Von Zeit zu Zeit kommen aber immer wieder auch Zweifel an den verschiedenen Konzepten auf. Was macht nachhaltige Geldanlage wirklich aus und was ist „Greenwashing“? Die Europäische Union hat diese Frage mit einem riesigen Regelwerk beantwortet. Das seinerseits, statt Transparenz zu schaffen, viele Fragen aufwirft. „Gut gemeint, schlecht gemacht: Dafür sind die Richtlinien ein Paradebeispiel“, meint Philipp Dobbert, Leiter der Vermögensverwaltung bei quirion. Will man ökologisch-nachhaltig gemäß Taxonomieverordnung investieren oder lieber nachhaltig gemäß Offenlegungsverordnung? Solche Fragen informiert zu beantworten, dürfte den meisten mindestens sehr schwerfallen.
Von ESG zu Anti-ESG
Scharfer Gegenwind kommt gerade aber vor allem aus den USA. Dort ist „Anti-ESG“ schon länger ein Schlagwort. Dabei geht es um den Wunsch konservativer politischer Kreise, die ESG-Orientierung aus der Unternehmensführung und der Vermögensverwaltung möglichst zu verbannen.
Öfters ließen in diesem Zusammenhang Gerichtsentscheidungen aus republikanisch regierten US-Bundesstaaten aufhorchen. Jüngst zum Beispiel eine aus Texas in einem Verfahren gegen American Airlines. Dabei ging es um Altersvorsorgepläne der Fluggesellschaft, die im Schwerpunkt von BlackRock verwaltet werden. Der Vermögensverwaltung, nicht selbst Beteiligte des Verfahrens, wurde in den USA bereits häufiger „ESG-Aktivismus“ vorgeworfen. In der Entscheidung wurde betont, es sei einem Treuhänder bei solchen Plänen nicht erlaubt, ein nicht-finanzielles Interesse zu verfolgen. Und das sah der Richter in diesem Fall zumindest teilweise als erwiesen an. Dabei wurden im Rahmen der Altersvorsorgepläne nicht einmal spezielle ESG-Produkte angeboten.
Mit der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump hat die Anti-ESG-Bewegung nun noch mehr Wind unter die Flügel bekommen. Trump streicht Fördergelder für grüne Energieprojekte und Programme für Gleichberechtigung und Inklusion. Reihenweise haben sich in einer Art vorauseilendem Gehorsam US-Banken und Vermögensverwalter aus dem Klimabündnis „Net Zero Banking Alliance“ zurückgezogen, darunter auch BlackRock. Viele große Unternehmen wie Meta und McDonald’s haben Diversitätsprogramme eingestellt.
Folgen für die Geldanlage?
Geht es um die Geldanlage, ist ein häufiges Argument gegen die Orientierung an ESG-Kriterien schnell entkräftet – nämlich, dass diese mehr oder weniger zwingend zu schlechten Anlageergebnissen führt. Das zeigt zum Beispiel ein Vergleich des beliebten MSCI World mit dem MSCI World ESG Screened im Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre. Der ESG-Ableger hat sich in diesem Zeitraum etwas besser entwickelt, als sein klassisches Pendant.
Allerdings: Orientiert sich eine Anlagestrategie an ESG-Kriterien, lässt sie einen Teil der Aktienwelt außen vor. „Das beste Verhältnis von Rendite und Risiko hat jedoch immer ein möglichst diversifiziertes Portfolio“, unterstreicht Dobbert. Je fokussierter ein Portfolio sei, desto riskanter sei es. „Und viele Produkte im ESG-Segment sind sehr stark konzentriert, zum Beispiel auf alternative Energien.“
Rendite ist wichtig, das Risiko aber auch
Die Anlagestrategie des nachhaltigen Portfolios von quirion hatte deshalb von Beginn an das Ziel, ESG-Kriterien bestmöglich mit Diversifikation zu verbinden. „Wir wollen Nachhaltigkeit im doppelten Sinne – auch mit Blick auf Rendite und Risiko“, erklärt Dobbert. „So lässt sich Geld mit gutem Gewissen langfristig anlegen, ohne allzu große Risiken einzugehen.“
Hat die Anti-ESG-Bewegung in den USA auf ein solches Portfolio irgendwelche Auswirkungen? „Wenn eine Nachricht zu diesem Thema gerade Schlagzeilen macht, kann es in einzelnen Bereichen des Aktienmarkts vorübergehend zu etwas größeren Schwankungen kommen“, stellt Dobbert fest. „Grundsätzlich gibt es jedoch keine unmittelbaren Auswirkungen. Schließlich ist das Portfolio sehr breit gestreut, umfasst rund 3.000 Aktien.“
Langfristige Lösungen gefragt
Was aber wäre, wenn wegen der US-Politik mehr und mehr Unternehmen ESG-Kriterien nicht mehr berücksichtigen? „Das ist erstmal reine Spekulation“, unterstreicht Dobbert. „Wenn die Zahl der Wertpapiere signifikant sinken würde, die nach ESG-Kriterien in ein entsprechendes Portfolio aufgenommen werden können, würde das natürlich die Möglichkeiten zur Diversifikation einschränken.“
Das jedoch ist derzeit nicht in Sicht. Und auch nicht sonderlich wahrscheinlich. Der Klimawandel beispielsweise – eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – verlangt nach langfristigen Lösungen, die nicht unter Ausschluss der Wirtschaft gefunden werden können. Von Dekreten des US-Präsidenten lässt er sich jedenfalls nicht aufhalten.
Trotzdem mag sich manche Anlegerin und mancher Anleger fragen, ob gerade ein guter Zeitpunkt für eine nachhaltige Geldanlage ist. „Der Versuch, das beste Timing zu finden, geht meistens schief – bei jeder Form der Geldanlage. Niemand weiß genau, wann welche Aktien steigen oder fallen“, erklärt Dobbert. „Ob und wie Sie bei der Geldanlage ESG-Kriterien berücksichtigen wollen, ist eine Frage der persönlichen Einstellung. Wenn sie aber unnötige Risiken vermeiden wollen, rate ich zu möglichst breiter Streuung.“
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