Mehr als ein Dutzend Allzeithochs im DAX, die ersten Rekordwerte seit 34 Jahren im Nikkei 225, und auch in den USA sind die Kurse im Februar und März auf neue Höhen gestiegen. Wer sich nun fragt, wie es weitergeht: Für Philipp Dobbert, Leiter der Vermögensverwaltung bei der Quirin Privatbank und bei quirion, spricht nicht nur aktuell alles für eine prognosefreie Anlagestrategie und ein global aufgestelltes Weltportfolio.
Herr Dobbert, viele Aktienmärkte haben in diesem Jahr schon mehrfach hintereinander Rekorde gebrochen. Hat Sie das überrascht?
Es hat mich sogar sehr überrascht. Bereits Ende vergangenen Jahres sind die Kurse stark gestiegen. Zu der Zeit hat sich die Erwartung verfestigt, dass die Leitzinsen in den USA und im Euroraum in diesem Jahr sinken werden. Im Kern hat sich an den Rahmenbedingungen seither nicht viel verändert. Trotzdem haben die Märkte nochmals kräftig zugelegt. Viele Aktienmarktprognosen aus dem Dezember sind schon wieder hinfällig. Da sieht man wieder einmal, dass Prognosen für die Anlagestrategie nichts bringen.
In Deutschland hat sich die wirtschaftliche Lage eher verschlechtert. Trotzdem sind die Kurse hierzulande deutlich gestiegen. Ist das nicht ein Widerspruch?
In der Frage stecken zwei Missverständnisse: Zum einen spiegelt der Aktienmarkt nicht die aktuelle wirtschaftliche Lage. Die Kurse werden von Erwartungen an die Zukunft geprägt. Dabei können die Erwartungen sehr weit in die Zukunft gerichtet sein. Zum anderen sind für die international aufgestellten Unternehmen im DAX die weltwirtschaftlichen Aussichten entscheidend. Die sind weit besser als in Deutschland. Im großen Exportmarkt China zeichnet sich zum Beispiel eine etwas stärkere Erholung ab. Und die US-Wirtschaft ist weiterhin sehr robust.
In den USA zeigen im März veröffentlichte Daten aber auch, dass die Kerninflation auf einem höheren Niveau verharrt, als das erwartet worden war. Das steht den erhofften Zinssenkungen entgegen. Trotzdem kletterte der S&P 500 im Anschluss an die Veröffentlichung auf ein neues Allzeithoch…
Der Leitzins ist nicht alles. Monokausale Erklärungen für Trends an den Aktienmärkten laufen sehr oft ins Leere. Für die Entwicklung der Kurse kann man jederzeit viele Gründe finden. Von unternehmensspezifischen Nachrichten bis zu volkswirtschaftlichen Daten ist die Spanne außerordentlich breit.
Natürlich ist das Leitzinsniveau eine wichtige Rahmenbedingung. Wir rechnen im Euroraum mit zwei Zinssenkungen von jeweils 0,25 Prozentpunkten in der zweiten Jahreshälfte. In den USA gibt es noch etwas mehr Spielraum. Ob und wann es tatsächlich zu Zinssenkungen kommt, hängt vor allem von Inflation und Konjunktur ab. Darüber zu spekulieren, bringt einen in der Anlagestrategie für einen langfristigen Vermögensaufbau nicht weiter. Genauso wenig wie der Blick aufs aktuelle Kursniveau.
Doch wie weit können Aktienkurse steigen?
Aktienkurse haben keine Obergrenze. Hinter der Vorstellung steckt ein falsches Bild, nämlich dass die Kurse ständig zwischen einem Kursgipfel und einer Talsohle hin und her pendeln. Das Bild ist eng verbunden mit dem Wunsch, am Tiefpunkt einzusteigen und am Hochpunkt auszusteigen. Doch der führt in die Irre und zu Anlagefehlern. In langfristiger Perspektive ist der Trend aufwärtsgerichtet. Das liegt daran, dass Aktien an Unternehmen beteiligen und die Wirtschaft auf Wachstum ausgelegt ist. Dabei geht es nicht unbedingt um mengenmäßiges, sondern um wertmäßiges Wachstum. Wenn für bessere Qualität mehr bezahlt wird, wächst die Wirtschaft ebenfalls. Für die Aktienmärkte bedeutet das natürlich nicht, dass es immer wie am Schnürchen läuft. Werden Erwartungen enttäuscht, kommt es zu Korrekturen.
Wenn man das schon weiß, sollte man jetzt nicht auf günstige Kurse warten?
Gegenfrage: Wann sind die Kurse denn günstig genug? Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, wie lange und wie weit die Kurse steigen. Wer aus Angst vor Rückschlägen an der Seitenlinie bleibt, ist bei den Renditechancen in jedem Fall außen vor. Und kommt es zu Korrekturen: Auf welchem Kursniveau steigen Sie ein oder wieder ein? Den Tiefpunkt zu treffen wäre ein reiner Glücksfall. Rücksetzer sind am Aktienmarkt ganz normal. Langfristig und im Schnitt aber geht es nach oben.
Das Beispiel Japan zeigt, dass es sehr lange dauern kann, bis neue Rekordniveaus erreicht werden…
Das stimmt. Und das ist einer der vielen Gründe, die für ein Weltportfolio wie unser globales ETF-Portfolio sprechen. Sie wissen im Vorhinein nicht, welche Unternehmen oder welche Regionen in einem bestimmten Zeitraum zu den Gewinnern zählen. Sie wissen aber, dass die Aktienmärkte und das weltwirtschaftliche Wachstum zusammengehören. Diversifikation reduziert die Risiken, auf die Sie sich mit der Konzentration auf einzelne Märkte einlassen.
Rekorde gab es nicht nur an den Aktienmärkten, sondern auch bei Gold und Bitcoin. Kann ich damit ebenfalls langfristig zum Erfolg kommen?
Zwischen Aktien und Gold oder Kryptowährungen gibt es einen ganz elementaren Unterschied. Anders als bei Aktien gibt es bei Gold und Kryptowährungen keine Wertschöpfung. Es ist kein produktives Kapital. Es geht dabei nur um die „Kursfantasie“ im Handel von Investitionsobjekten. Darauf zu setzen, bleibt reine Spekulation und ist damit viel riskanter, als sich auf den systematischen Vermögensaufbau mit Aktien zu verlassen.